Wir leben und arbeiten in einem System, in dem Lebendigkeit als Problem angesehen wird

Vor ungefähr 20 Jahren nach meinem BWL-Studium trat ich endlich meinen langersehnten ersten Job in der Wirtschaft an. Ich war voller Vorfreude und Enthusiasmus und inspiriert von dem Gedanken, nach so langer Zeit des Lernens meinen Beitrag zum größeren Ganzen leisten zu dürfen. Tja, und was soll ich sagen? Ein paar Tage als Angestellte waren ausreichend, um meine Inspiration und meinen Enthusiasmus vollständig zu ersticken. Und das lag nicht an der Firma, für die ich arbeitete, sondern an dem Konzept „abhängiger Arbeit“, auf dem unser Wirtschafts- und Arbeitssystem grundsätzlich basiert. Um es kurz zu machen – ich hielt es gerade mal 1 Jahr aus, bevor ich mich selbständig machte. Die Angst, die nächsten 40 Jahre im „Gefängnis“ verbringen zu müssen, war größer als mein Sicherheitsbedürfnis.

Damals dachte ich, mit mir stimmt wohl etwas nicht. Ich dachte, ich bin einfach nicht fähig, mich so weit anzupassen, dass ich in diesem Arbeits-Konzept funktioniere. Heute weiß ich, dass mehr dahintersteckt, als ich zunächst glaubte. Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass ich mit meinem ganzen Sein dem Prinzip „Lebendigkeit“ verpflichtet bin und dass meine Berufung darin besteht, ein Wegbereiter für Lebendigkeit zu sein. Kein Wunder also, dass ich das Gefühl hatte, zu ersticken. Denn unser herrschendes Wirtschafts- und Arbeitssystem verabscheut Lebendigkeit, wie der Teufel das Weihwasser. Lebendigkeit ist unberechenbar und gilt daher als Produktivitäts- und Profit-Killer Nummer 1, ohne dass dies bewusst ausgesprochen wird!

Produktivität vs. Lebendigkeit

Das Paradigma der Produktivität begann mit der industriellen Revolution Mitte des 18. Jahrhunderts. Mit der Erfindung der Dampfmaschine veränderte sich unsere gesamte westliche Kultur. Wir waren auf einmal in der Lage Produktionsprozesse zu generieren, die uns vermeintlich unabhängig machten von den Launen der Natur, von den chaotischen und nicht-linearen Faktoren des Lebens. Die Maschine wurde für uns zu einem Symbol von beeinflussbarer Leistungsfähigkeit, Produktivität und Wachstum. Dies führte uns zu dem Glauben, dass wir das Leben selbst durch den Einsatz von Technik kontrollieren können, um Produktivität zu steigern und Gewinn (oder Komfort) zu maximieren. Wir begannen Lebendigkeit mit Kontrolle zu managen. Diese neue Art des Denkens und Handelns verbreitete sich in kürzester Zeit in alle unsere Lebensbereiche und wurde zu unserer akzeptierten Normalität, die wir lange Zeit nicht mehr hinterfragten. Und: es funktionierte! Zumindest, wenn man den Verlust von Leben(-digkeit) als geringes Opfer für hohen Profit/Komfort ansieht.

aliveness_2In Unternehmen bildeten sich typische „maschinengleiche“ Organisationsstrukturen heraus, die heute noch üblich sind. Organisationen sind in Organigrammen strukturiert, in welche die einzelnen Mitspieler, sobald sie Teil der Organisation sind, „hineingepresst“ werden. Organigramme bilden die offiziellen, linearen und hierarchischen Beziehungs- und Kommunikationsstrukturen in der Organisation ab. Sie sind in der Regel klar, übersichtlich und dienen dazu, Reibungsverluste zu vermeiden bzw. die Produktivität zu erhöhen. Und sie sind vor allem eines: linear, statisch und nicht lebendig. Sie lassen den Aspekt außen vor, dass die dort abgebildeten Positionen von Menschen eingenommen werden, die echte Beziehungen zu anderen Menschen haben oder aufnehmen – und zwar aus völlig anderen Gründen, als es das Organigramm vorsieht, z.B. aus Sympathie, Gemeinsamkeiten, persönlichen Interessen bis hin sogar zu Liebe (bekanntlich lernen sich ja ein Großteil von Paaren am Arbeitsplatz kennen).

aliveness_3Als Mensch in einer Organisation wirst du nicht als lebendiges Wesen angesehen, sondern als eine bewertbare und beeinflussbare Ressource (Human Resources). Du hast eine bestimmte Rolle gemäß deiner Positionsbezeichnung im Organigramm zu spielen. Während der Arbeitszeit – die oftmals ganz genau geregelt ist – hast du als Ressource zu „funktionieren“ wie eine Maschine. Wo immer es möglich ist, wird menschliche Arbeitskraft sogar von Maschinen ersetzt. Denn Maschinen sind leichter zu reparieren, wen sie mal nicht funktionieren. Anzeichen von Lebendigkeit, wie z.B. das Zeigen von Gefühlen, das Einbringen von privaten Themen, persönliche Transformation o.ä. gelten als unprofessionell und werden nicht geduldet. Selbst Talente und Qualitäten, die über das im Stellenprofil beschriebene Maß hinausgehen, werden meist weder genutzt noch als wertvoll erachtet. Wie ein Rädchen in einem Getriebe hast du deine Aufgabe. Um diese „mechanistische“ Art des Zusammenspiels aufrecht zu erhalten, sind zwei Dinge dringend notwendig. Erstens ist es notwendig, dass du deine Lebendigkeit an der Stempeluhr oder in der Garderobe ablegst, damit sie dir während der Arbeitszeit nicht in die Quere kommt. Da das Leben sich aber trotz allem nicht so einfach durch eigenen Willen einschränken lässt, braucht es in solchen Organisationen eine starke Kontrollinstanz durch Hierarchie und Vorgesetzte sowie durch Zeiterfassung und Berichtswesen. Die soll sicherstellen, dass alle Mitspieler funktionieren. Da die Führungskräfte aber auch funktionieren müssen, braucht es auch für sie eine Kontrollinstanz durch Vorgesetzte, etc.

Das Schulsystem als Vorbereitung auf ein Leben jenseits von Lebendigkeit

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, machte auch unser Schulsystem lange Zeit Sinn – nämlich als Vorbereitung auf ein Arbeitsleben, in welchem Lebendigkeit unerwünscht ist. Schule, wie sie bisher funktionierte, war ein perfektes Training für eine Zukunft als Rädchen im Getriebe. Nicht nur inhaltlich, sondern vor allem dadurch, dass du gelernt hast stillzusitzen, deine natürlichen Impulse zu unterdrücken, leise zu sein und dich der Autorität zu unterwerfen. Du lerntest Einzelkämpfertum, Konkurrenzdenken und Wettkampf, statt Kooperation und Austausch und warst damit bestens gerüstet für das, was dich im Arbeitsleben erwartete.

aliveness_4© Robert Kneschke at fotolia

Und dieser offensichtliche Kampf gegen die Lebendigkeit bezieht sich nicht nur auf Arbeit und Bildung. Das sind nur zwei Beispiele, wie in unserer patriarchalen kapitalistischen Kultur Lebendigkeit zum Feindbild erklärt und systematisch durch Kontrolle ersetzt wurde.

Weitere Beispiele sind die moderne Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, Flurbereinigung, genmanipuliertem Saatgut und Massentierhaltung, welche allesamt nur durch den massiven Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Antibiotika aufrecht zu erhalten sind. Oder die moderne Medizin selbst mit Genmanipulation, künstlicher Befruchtung und Therapiemethoden, wie Bestrahlung und Chemotherapie. Die Bezeichnung Antibiotikum sagt es ja sogar wörtlich: Anti-Bio-tikum = Mittel gegen das Leben!

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Ohne Lebendigkeit ist kein Leben möglich!

Interessanterweise stellt sich nun das, was wir zunächst angenommen haben, nämlich dass der Einsatz von Technik und Kontrolle und die Unterdrückung von Lebendigkeit zu mehr Produktivität führen, langfristig als Irrtum heraus. Die Erhöhung der Produktivität ist nur ein Kurzzeit-Effekt und kehrt sich langfristig ins Gegenteil. Ganz zu schweigen von dem immensen Einsatz von Energie und Ressourcen die dafür notwendig sind, Lebendigkeit im Zaum zu halten. Die entstehenden Prozesse werden immer komplizierter und anfälliger und sind kaum mehr zu handlen – zumindest nicht mit linearen Methoden. Menschen hören auf zu „funktionieren“, indem sie Depressionen oder Syndrome, wie Burnout entwickeln. Die Böden sind ausgelaugt und die Meere leergefischt. Durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika, entstehen resistente Keime, denen die Medizin nicht mehr Herr wird.

Mittlerweile beginnen wir zu erkennen, dass diese Art des Denkens und Handelns ihre Grenzen hat. Denn das Leben durch Kontrolle zu managen, bringt schwere Nebenwirkungen mit sich, die langfristig sogar zum Tod führen können, inklusive der Auslöschung der menschlichen Spezies. Das Paradigma des unendlichen Wachstums, auf dem unsere Wirtschaft basiert, stellt sich langsam aber sicher als narzisstischer Wahnsinn dar, der dem Gesetz der Natur und des Lebens widerspricht. Denn unaufhörliches Wachstum ist nichts anderes, als das Prinzip eines Krebsgeschwürs, welches sich durch ein lebendes Ökosystem frisst, ohne Rücksicht darauf, dass mit dem Ökosystem auch die eigene Lebensgrundlage vernichtet wird. Unsere Kultur ist nicht tragfähig! Und das wird derzeit an allen Ecken sichtbar.

Immer mehr Menschen wachen auf, werden sich dessen bewusst und beginnen andere Wege zu beschreiten. In dem Film „TOMORROW – Die Welt ist voller Lösungen“ (2016) werden Beispiele gezeigt, wie Menschen sich – teilweise auf eigene Faust – zusammengetan und gemeinsam neue Lösungen kreiert und ausprobiert haben. Interessanterweise orientieren sich diese neuen Lösungen gerade an der Natur und den Gesetzen des Lebens. Statt die Natur zu kontrollieren, wird sie als Vorbild genommen, denn die Natur mit all ihrem Chaos bietet uns tragfähige und langfristige Lösungsansätze an. Lebendigkeit ist auf einmal nicht mehr das Problem, sondern die Lösung. In den Lösungsansätzen, die in diesem Film gezeigt werden, lassen sich bestimmte Prinzipien ableiten, die komplett gegensätzlich zu den Prinzipien sind, auf denen unsere gewöhnlichen und nicht tragfähigen Ansätze basieren.

aliveness_7(c) Patrizia Patz

Das Problem ist die Lösung – die Organisation als lebendiger Organismus

Was können sich Unternehmen und Arbeitswelt nun von diesen Prinzipien und bereits gelebten Lösungen abschauen? Zunächst einmal gilt es, die seit Schulzeiten eingeimpfte Sichtweise zu verändern. Lebendigkeit ist nicht das Problem! Lebendigkeit ist die Lösung! Früher ging es in Unternehmen um die geregelte, konkurrierende „Zusammen“-Arbeit maschinengleicher Söldner, die ihre Lebendigkeit an der Eingangstüre des Unternehmens ablegten und eine professionelle Rolle spielten, für die sie bezahlt wurden, um dem Paradigma des unendlichen Wachstums zu dienen, welches vor allem dem Firmen-Chef bzw. den Aktionären diente. Sinnbild war das fehlerlose Zusammenwirken einzelner Rädchen in einem mechanischen Getriebe.

Zukünftig könnte es in Unternehmen eher darum gehen, ein Ökosystem von lebendigen und unterschiedlichsten Individuen im Sinne der Permakultur aufzubauen, die in selbstorganisierenden Netzwerken in kreativer Kollaboration autonom ihre Qualitäten und Talente einsetzen, um gemeinsame Ziele zu erreichen, von denen sie selbst inspiriert und begeistert sind und die einen höheren Sinn für die Gemeinschaft haben. Ein funktionierendes lebendiges Ökosystem ist anpassungsfähig und kann Ausfälle vorübergehend kompensieren. Führungskräfte würden dann keine Kontrollfunktion mehr ausüben, sondern als Teil des Teams als sogenannte Raumhalter fungieren, damit eine derartige kreative Kollaboration möglich wird. Starre hierarchische Strukturen wären überflüssig, ja sogar hinderlich. Jeder Mitspieler wäre sich bewusst, ein wichtiger Teil eines lebendigen Systems zu sein, in dem sein Beitrag zählt und sinnvoll ist und alles, was er tut oder nicht tut, eine Rolle spielt. Dafür wäre ein hohes Maß an Bewusstheit, Selbstverantwortung und Autonomie notwendig.

Die entsprechenden Voraussetzungen sind in uns allen natürlicherweise angelegt und können jederzeit aktiviert werden. Allerdings braucht es dazu eine andere Ausbildung und andere Fähigkeiten, als die die derzeit noch von unserem Schul- und Ausbildungssystem zur Verfügung gestellt werden. Und es braucht Mut, andere Wege zu gehen fernab des Mainstream und der anerkannten Lehrmeinung. Bist du bereit, dieses Risiko einzugehen und deine Lebendigkeit zu nutzen, um gemeinsam mit anderen eine tragfähige Kultur zu erschaffen? Denn wie du siehst, gibt es viel zu tun und neu zu erfinden.

Wie wäre es, wenn du damit aufhörst, deine Talente, deine Energie und deine Zeit Konzernen und einem System zur Verfügung zu stellen, die Lebendigkeit als Feind ansehen und denen das vielfältige Leben auf diesem wundervollen Planeten egal ist und sie stattdessen GAIA, dem lebendigen Planeten Erde zur Verfügung stellst? Denn GAIA sucht dringen Mitarbeiter! Werde Teil des Teams von Planet Erde!

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Eure Patrizia

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